Beitragsnachzahlung

Beitragsnachzahlung

Beitragsschuldner

Gemäß § 28 d SGB IV werden die Beiträge zur Kranken-, Pflege- oder Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung als Gesamtsozialversicherungsbeitrag gezahlt. Schuldner dieser Beiträge ist im Verhältnis zu den Sozialversicherungsträgern in erster Linie der Auftraggeber, § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Zumeist haftet daher der Vertragspartner des Scheinselbständigen.

Beispiel 1:
Die A-GmbH gewährt ihrem Geschäftsführer, der gleichzeitig auch Gesellschafter ist , eine Tätigkeitsvergütung. Auf die Vergütung werden zu Unrecht keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Schuldner der Nachzahlungsforderung ist die A-GmbH.

Beispiel 2:
Eine Musikschule beschäftigt Musiklehrer auf Honorarbasis. Im Rahmen einer Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung Bund stellt sich die Scheinselbständigkeit der Musiklehrer heraus. Die Musikschule ist zur Nachzahlung der irrtümlich nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge verpflichtet.

Erfüllt das Konstrukt auch die Voraussetzungen einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung, haftet ergänzend der Entleiher als Gesamtschuldner neben dem Verleiher für die Sozialversicherungsbeiträge (§ 28 e Abs. 2 Sätze 3, 4, Abs. 4 SGB IV.

Beispiel 3:
Ein Unternehmen wird von einem Kunden mit der Entwicklung und Implementierung von Software beauftragt. Zur Erfüllung des Auftrags bedient sich das Unternehmen seinerseits externer Programmierer. Bei Ausübung ihrer Tätigkeit sind die Programmierer wie "normale" Arbeitnehmer in den Betrieb des Kunden eingegliedert und unterliegen den Weisungen des Kunden.

Ausnahmsweise können sogar die vertretungsberechtigten Organe der/der Beitragsschuldner sogar persönlich für Sozialversicherungsbeiträge haften.

Nachzahlungszeitraum

Beitragsansprüche verjähren grundsätzlich in vier Jahren. Etwas anderes gilt für vorsätzlich vorenthaltene Beiträge. Dann beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre (§ 25 Abs. 1 SGB IV), wobei es ausreicht, wenn der Vorsatz während des Laufes der vierjährigen Regelverjährungsfrist entsteht. Die dargestellten Verjährungsfristen gelten nicht nur für die Hauptforderung, sondern auch für Nebenleistungen wie Säumniszuschläge, Verzugszinsen, Mahngebühren und Vollstreckungskosten, ohne dass es in Bezug auf die 30-jährige Verjährungsfrist darauf ankäme, ob die Nebenleistungen ihrerseits vorsätzlich vorenthalten wurden. Das Tatbestandsmerkmal der „vorsätzlich vorenthaltenen Beiträge“ wird auch durch den so genannten bedingten Vorsatz (dolus eventualis) erfüllt . Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn der Auftraggeber des Scheinselbständigen die Nichtabführung von fälligen Sozialversicherungsbeiträgen zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat . Nach der Rechtsprechung des BSG ist hinsichtlich des Vorsatzes das Vorliegen des inneren (subjektiven) Tatbestandes anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls individuell zu ermitteln . Dabei muss sich der Beitragsschuldner eine etwaige Bösgläubigkeit seiner Vertreter (z. B. Geschäftsführer) und Erfüllungsgehilfen (z. B. Steuerberater) gemäß §§ 166 Abs. 1, 278 BGB zurechnen lassen.

Beispiel: 
Die A-GmbH wird im Jahr 2022 von der Deutschen Rentenversicherung geprüft. Die Behörde stellt fest, dass das Unternehmen im Zeitraum ab 2015 verschiedene Auftragsverhältnisse mit Freien Mitarbeitern unterhalten hat, bei denen es sich eigentlich um Scheinselbständige handelt. Nachgefordert werden können grundsätzlich nur die Jahre 2018 ff., es sei denn der A-GmbH könnte ein Vorsatzvorwurf unterbreitet werden.

Beitragsbemessungsgrundlage

Zur Beitragsbemessung wird das Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV herangezogen. Arbeitsentgelt meint vorbehaltlich der Einschränkungen durch die Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Damit wird von der Definition auch Phantomlohn umfasst, also laufende Leistungen auf die der Scheinselbständige einen Anspruch hatte bzw. bei richtiger Behandlung gehabt hätte, die aber tatsächlich vom Auftraggeber nicht erbracht wurden.

Beispiel: 
Ein mitarbeitender Familienangehöriger wird zu Unrecht als sozialversicherungsfrei und unterhalb der bei Annahme eines Arbeitsverhältnisses einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen abgerechnet. Dann ist der Beitragsbemessung das eigentlich geschuldete Tarifentgelt zugrunde zu legen.

Säumniszuschläge

Ergeht ein Beitragsnachzahlungsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag von eins vom Hundert, also 12 % p. a. (!) des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages für jeden angefangenen Monat nur dann nicht zu erheben, wenn der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte, § 24 Abs. 2 SGB IV. Die Beweislast für die unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht trägt der Beitragsschuldner, wobei allerdings der abgesenkte Beweisgrad der Glaubhaftmachung genügt.
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